- nora
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- Studentin. 23 Jahr, sprödes Haar. Über alles und nichts im Leben.
Samstag, 13. Dezember 2014
DO IT YOURSELF
Das Missy Magazine aus Berlin (genauer: Faith Bosworth) schreibt entgegen der vielen Selbsthilfebücher, dass man sich auch mal strategisch eine neue Identität aneignen dürfe. Eine DIY-Identität. Je detaillierter man sein neues Selbst durchplane, desto glaubwürdiger sei es. Vielleicht lässt man sich auch die passende Frisur dazu schneiden oder erstellt einen neuen Twitter-Account (für den man bei ebay 10.000 Abonnenten einkauft). Oder eine Visitenkarte, die zum neuen Ich passt. Natürlich gibt es auch Grenzen, das Alter vor allem. Man kann ja schlecht mit 23 eine 50-jährige Managerin sein. Es gilt, sich um das neue Ich einen neuen Freundeskreis aufzubauen. Menschen, die dich cool finden und vielleicht auch so sein wollen wie du. Oder aber die bisherigen Freunde spielen mit - bis sie es irgendwann selbst glauben. Darum geht es auch insgesamt: Faking it till you making it. Also einfach mal eine Fantasiegeschichte wahr werden lassen.
Ich finde, das passt sehr gut zum Jahreswechsel. Zu dem sich ja alle Menschen immer alles Mögliche vornehmen. Im neuen Jahr will ich das und das machen, um dann so und so zu sein (schlanker, gesünder, veganer, blonder, klüger, beliebter, besser auf dem Papier, reicher, erfahrener, bereister…). Wieso nicht einfach mal JETZT etwas Neues ausprobieren, anstatt immer "einfach du selbst" zu sein, mit den ewig alten unerfüllten Vorsätzen. Wieso nicht mal was riskieren und über eigene Grenzen hinweg sehen, Träume umsetzen und einfach mal imitieren, was man schon immer mal sein wollte. Einen neuen Kult begründen, schreibt die Missy.
In der Schulzeit habe ich mich immer gefragt, was ich alles schaffen und erreichen muss, um so selbstbewusst zu sein wie einige meiner Klassenkameradinnen.
Da war diese Sorte von Mädchen, die sich getraut haben, im Unterricht freischnauze die eigene Meinung zu artikulieren, die in Mathe auch viermal nachfragten, die gute Noten hatten, die viele Freunde hatten, die auf die besseren Parties gingen, die eigentlich immer gut gekleidet waren, die interessante Hobbies verfolgten, die authentisch und mutig auf mich wirkten. Und nicht meine Freunde waren.
Das war für mich alles anders. Im Unterricht habe ich mich oft nicht getraut, erst recht nicht in Mathe, meine Kleidung sah anders aus, meine Freizeitaktivitäten waren eher einseitig. Ich konnte nicht Klavier oder Ballett lernen. Ich habe mich gefragt: wie kann ich auch so sein? Was muss man dafür geschafft haben? Muss man zuerst bestimmte Dinge erreichen, um so selbstbewusst zu sein? Oder muss man manchmal nur so tun als ob, um dann hinterherzuwachsen?
Dann fing ich an zu begreifen, dass es einen wesentlichen Unterschied gab zwischen meiner Sorte Mädchen und der ihren. Sie kamen aus einem wohlhabenden Elternhaus. Ich war ein Arbeiterkind. Das machte alles aus.
Heute denke ich dass es gut ist, manchmal einfach nur so zu tun, als mache es einem nichts aus. Als sei man mutig genug, jetzt etwas zu sagen. Und dann ist man es vielleicht auch eher, als wenn man nicht einmal erwägt, den Mut zu haben.
Wer willst du sein?
Schreibt es mir gerne in einen Kommentar. Wir können einen Plan schmieden, deine neue Identität detailliert ausschmücken. Warum immer nur man selbst sein.
Überleg dir, wer du sein willst. Plane es detailliert. Wenn du magst, schreibe mir deine Idee und wir überlegen gemeinsam, was du zu ihrer Umsetzung alles brauchst.
Donnerstag, 27. November 2014
Nur plötzliche Schwärze kann die kreisenden in Endlosschleifen verwirrenden Gedanken erlöschen. Bis der neue Tag beginnt, in dem ich mich wieder verliere. Ich brauche eine Sucht, um das hier auszuhalten. Eine Sucht muss ich mir zulegen. Welche Abhängigkeit kann die alten ablösen?
11:10 Uhr
Mein Therapeut hat gesagt, ich solle jetzt beginnen, Dinge aufzuschreiben. Da habe ich gesagt, dass ich das schon mache. Da war er stolz auf mich. Frau Haberlein, hat er gesagt, Sie sind auf einem guten Weg. Erst habe ich gar nicht verstanden, was er meinte. Ich fand es absurd, dass er das jetzt so überbewertet und habe mich fast ein zu großes unverdientes Stück idealisiert gefühlt. Verrückt, idealisiert vom eigenen Therapeuten. Ich meine, sonst ist das doch immer anders herum. Aber er hat recht. Was er meinte war glaube ich viel mehr, dass ich immer mehr Dinge für mich als gut befinde, die er mir gar nicht mehr zu raten braucht. Dass ich mir selbst eine gute Mutter bin, also so im übertragenen Sinne. Wie das eben so ist, wenn man lernt, auf eigenen Beinen zu stehen. Mich eben gut um mich sorge mittlerweile. Und seine fürsorglichen Ratschläge gar nicht mehr so viel brauche.
11:39 Uhr
Ich glaube, sein lobender Satz bezog sich gar nicht so sehr auf die Tatsache, dass ich Dinge aufschreibe. Ich habe das nur so sehen wollen, so, als meinte er nur diese eine kleine Sache. Wenn ich so nachdenke, dann meinte er wohl mich im Ganzen. Dass es ab und zu kleine Fortschritte und diese immer etwas mehr und mehr gibt und geben wird.
14:13 Uhr
Was meinte Lara damit, dass sie es gesehen habe und an mich denken musste. Das habe ich sie gar nicht gefragt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man bei einem Tuschkasten, alt und benutzt, mit Farbflecken und Farbbröseln, wie man da an mich denken soll. Das ist doch kitschig und absurd. Total stumpfsinnig. Lara, du spinnst ja.
19:01 Uhr
Der Tag heute war ein guter. Mir ist klar geworden, dass viele meiner Verhaltensweisen sich wie feste Formeln durch meinen Alltag ziehen. Dass es vielleicht darum geht, diese Formeln mal aufzulockern.
19:32Uhr
In der Schule habe ich so oft nicht aufgepasst. Weiß nichts über Gleichungen und Auflösen der Gleichungen nach einem Faktor, über Formeln und deren Zusammensetzung, über Kräfte und ihr Gleichgewicht. Ich wünschte, ich wüsste nur ein bisschen von dem, was die andern wissen.
22:45 Uhr
Bin schon so müde heute Abend. Der Tag war voller Ereignisse. Mit meinen Eltern habe ich telefoniert und sie zu mir eingeladen. Silja, schon fast ein Jahr bist du jetzt in der Großstadt. Meine Mama klingt wehmütig. Auch stolz irgendwie. Und wie immer zu besorgt. Schon ein Jahr liegt es zurück, meine Große. Ja, habe ich gesagt, oder nur genickt, sodass sie es gar nicht sehen konnte. Weiß es schon nicht mehr.
Jetzt wohne ich hier schon seit einem Jahr.
23:19 Uhr
Viel zu spät ist es schon. Habe Lara von meiner Idee erzählt. Wir haben geschrieben. Dass ich die eine Sucht mit der anderen überdecken und Schritt für Schritt ersetzen könnte. Lara hat erst gar nicht geantwortet und ich war ziemlich enttäuscht. Bin wütend geworden. Habe aber nichts mehr geschrieben. Soll sie mich doch ignorieren und einfach liegenlassen.
23:24 Uhr
silja, entschuldige, ich war abgelenkt. der edv-polizist.
willst du mir nicht so langsam mal seinen namen verraten?, fragte ich gekränkt.
nein, nein, den mag ich selbst noch nicht verwenden. so ist es erst mal besser.
Dann schrieb sie weiter: silja, ja, ich halte das für eine gute idee.
Was denn? was denn?!
na was du gesagt hast. das mit der sucht. schritt für schritt, überdecken, ersetzen, neu formen vielleicht. du könntest dich mal mehr dem leben widmen, meine ich. draufzugehen und dich trauen. unersättlich nach dem Leben werden sollst du, meine liebste silja. das stünde dir richtig gut.
Lebensdurst.
du troll du, schreibe ich.
ja wirklich, schreibt sie zurück. ich meine das auch so.
so, stünde mir das?, schreibe ich wieder.
ja, besser als dieses blaue viel zu große kleid, was du da letztens anhattest. lass uns mal wieder zusammen auf den flohmarkt gehen.
Donnerstag, 20. November 2014
10.
November 2009
Manchmal
habe ich mir gewünscht, Hände aus Gold zu haben. Mit denen ich
alles anfassen könnte, ohne es zu verändern oder zu zerstören. Mit
denen meine Berührungen ein Segen, ein Goldrausch für andere wären.
Wohlwollend. Und wenn ich in die Hände klatschte, fiele etwas von
dem in der Sonne glitzernden Staub herunter. Legte sich auf die
Körper der anderen, hüllte sie beschützend ein.
Wenn
man den ganzen Tag den Hirngespinsten der Nacht nachhängt, wird man
schwer und traurig, stellte ich dann fest.
10:23
Uhr
Bin
so durcheinander. Wischwaschwetter und Kopfschmerzen. So ein Chaos in
der Wohnung. Ich würde so gerne endlich richtig ankommen.
11:46
Uhr
Ich
habe Angst davor, was mich erwartet. Ich würde es gerne schaffen und
der Realität ins Auge blicken, es wagen. Es ist ein Wagnis, jeder
Blick jenseits dessen, was jetzt gerade so los ist hier bei mir.
Macht mir Angst. Macht. Irgendwie geht es darum, schon die ganze Zeit
ging es das. Gerne würde ich echt sein. Mir der Konsequenzen
meines Handelns gewahr werden. Wachsen.
Aber
ich will auch eine ganze Menge gleichzeitig.
11:49
Uhr
Das
mit dem Echtseinwollen ist ziemlich merkwürdig, weiß ich
doch in so vielen Augenblicken so sehr, dass das alles echt ist, ich
echt bin. Zum Schreien echt.
13:55
Uhr
Milan
postet seit einigen Tagen pausenlos bei Facebook Städtenamen und es
erweckt den Eindruck, als reise er sehr viel. Ich treffe Milan und
das Gefühl der Fremde schwindet.
14:15
Uhr
Wir
sitzen in einem Café. Hier riecht es nach Weihnachten. Ich kann
Weihnachten nicht gut leiden. Da habe ich immer das Gefühl, meine
Gefühle passen noch viel weniger als sonst.
Milan,
er erzählt zu viel. Ich kann gar nicht mehr folgen.
14:56
Uhr
Diese
Menschen, die nicht genug vom Leben kriegen. Ich beneide sie ein
Stück weit. Haben so viel Kraft für so vieles, was ich nie erleben
werde. Aber dann weiß ich, dass ich jetzt Ruhe brauche. Habe Milan
das gesagt. Er hat mich umarmt und mir einen schönen Nachmittag
gewünscht. Mir Kraft gewünscht. Hat keine Fragen gestellt. Oder
enttäuschte Erwartungen artikuliert. Hatte ich doch früher immer
mehr Zeit für ihn.
Ich
war erleichtert. Dass er mich hat einfach gehen lassen. Er weiß,
dass gerade vieles sehr schwer für mich ist.
16:18
Uhr
Lara
schreibt mir von ihren schlaflosen Nächten. „nein, mir geht es
gut. viel zu gut. ich kann es kaum fassen. ich habe eine erotische
onlinesexgeschichte seit 3 nächten mit dem edv-polizisten (dem
besten freund von fabian) und es ist unfassbar gut ...nur mein
schlafdefizit schlaucht.“
17:31
Uhr
Lara
sagt, sie komme jetzt gleich bei mir vorbei. Ich habe ihr gesagt,
dass ich niemanden sehen will. Ich will jetzt nicht, Lara,
habe ich gesagt. Dass mir heute alles zu viel ist. Nein Lara, es
geht nicht. Heute nicht. Ich bin müde und habe ungewaschenes,
strähniges Haar. Da musste ich fast selber schmunzeln. Früher
haben wir oft Serien zusammen gesehen. Dass ich schon draußen war,
habe ich dann gesagt. Lara, Milan und ich waren heute schon
draußen. Es geht mir gut,
du brauchst dir keine Sorgen machen.
Nein
nein, ich komme vorbei. Ich bestehe darauf. Ich bleibe auch nur kurz,
sage dir nur kurz Hallo.
Nein,
Lara.
Doch,
Silja.
Pfff...
19:49
Uhr
Aber
dann ist sie doch vorbei gekommen. Hat mir gesagt, dass sie nicht auf
mich hören wird, dass sie auch nur kurz Hallo sagen möchte. Ich war
die ganze Zeit bis zu ihrer Ankunft bei mir nervös. War wütend auf
sie, dass sie jetzt einfach so vorbeikommt. Fand das ziemlich frech
und übergriffig von ihr.
Dann
hat sie geklingelt und stand halt vor meiner Wohnungstür. Und dann
habe ich mich doch gefreut und geöffnet. Sie kennt mich eben.
Hallo.
Wusste gar nicht, was ich mehr
zu ihr sagen sollte. War irgendwie deprimiert, aber eigentlich hätte
ich ihr gerne gezeigt, wie sehr ich sie brauche und dass ich ihr
dankbar bin. Hoffe, sie kann das irgendwie spüren.
Sie
hat mir etwas gegeben. Hier, Silja, das hatte ich noch. Musste an
dich denken. Wollte es dir längst schon gegeben haben.
Ich
war überrascht. Da steht sie im Türrahmen und streckt die Hand aus,
hält mir etwas hin, in Zeitungen eingeschlagen, klein und flach,
passt auf ihre Handfläche.
Danke,
danke, sagte ich. Was ist das denn?
20:44
Uhr
Alleine
in meinem Zimmer. In meinem Chaos. In meiner Welt. Auf dem Flohmarkt
hätte sie das entdeckt. War schon zwei Wochen her. Behutsam habe ich
es ausgepackt. Ein alter Tuschkasten. Richtig richtig alter
Tuschkasten. So Aquarellfarbe sei das wohl, meinte Lara. Habe
gekramt, ewig und vierkommafünf Tage. Dann habe ich meine
Pinsel entdeckt. Die, die ich noch aus der Mittelstufe vom
Kunstunterricht habe. Ewig nicht benutzt. Kunst abgewählt. Schade
eigentlich. Jetzt sitze ich hier. An meinem Schreibtisch. Hatte so
viel Angst davor, jetzt wieder mit mir alleine zu sein, nachdem Lara
weg war. Aber jetzt geht es eigentlich ganz gut.
Und
ich male mir ein kleines Stückchen Welt. Ermale mir etwas, was nur
mir gehören wird. Da merke ich, dass ich es längst schon habe. Dass
es mir schon gehört. Ich gehöre mir schon. Ich bin schon ich. Hier
bin ich. Ich gehöre nur mir.
Sage
ich und schlafe beruhigt ein.
Dienstag, 10. Dezember 2013
Your toothbrush is where you left it
it sits right by my sink
ever so often whilst brushing my teeth
my gum aches my thoughts slink
your toothbrush is where you left it
it sits right by my sink
ever so often neglect my teeth
in reverie sit down rethink
sleepless nights
senseless fights
your toothbrush is where you left it
it sits right by my sink
ever so often i grind my teeth
Halbbittere gesüßte Mandelmilch gerinnt auf der sandigen Schmirgelhaut und ich bereue, Reue Reue Reue, ich bereue. Ich will schreien, weinen, lachen, denn etwas fehlt mir. Es bist du und du und auch du. Austauschbarkeit und willkürliche Projektion, der Wunsch nach Anerkennung und Herauskristallisieren des Ichs. N., wo bist du? N., schöne N. Ich will einen Menschen an meiner Seite. Der so aufregend ist wie du, der so sanft ist wie du. Ich denke an A. und dann schreibt er, dass er an mich denkt, mich nicht verlieren will, formuliert bewusst undramatisch. Aber es ist ein Drama. Ein Schauspiel.
Ich habe Angst davor, was mich erwartet. Ich würde es gerne schaffen und die Realität ins Auge blicken, es wagen. Es ist ein Wagnis, jeder Blick jenseits des Nebels aus Traum und Fantasie. Macht mir Angst. Gleichzeitig wird dort meine Erfüllung liegen, fühle ich dann. Gerne würde ich echt sein und etwas Echtes fühlen dürfen. Mir der Konsequenzen meines Handelns gewahr werden und mich entwickeln können. Wachsen.
Südfrankreich
Donnerstag, 11. April 2013
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