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Studentin. 23 Jahr, sprödes Haar. Über alles und nichts im Leben.

Donnerstag, 20. November 2014

10. November 2009

Manchmal habe ich mir gewünscht, Hände aus Gold zu haben. Mit denen ich alles anfassen könnte, ohne es zu verändern oder zu zerstören. Mit denen meine Berührungen ein Segen, ein Goldrausch für andere wären. Wohlwollend. Und wenn ich in die Hände klatschte, fiele etwas von dem in der Sonne glitzernden Staub herunter. Legte sich auf die Körper der anderen, hüllte sie beschützend ein.
Wenn man den ganzen Tag den Hirngespinsten der Nacht nachhängt, wird man schwer und traurig, stellte ich dann fest.


10:23 Uhr
Bin so durcheinander. Wischwaschwetter und Kopfschmerzen. So ein Chaos in der Wohnung. Ich würde so gerne endlich richtig ankommen.


11:46 Uhr
Ich habe Angst davor, was mich erwartet. Ich würde es gerne schaffen und der Realität ins Auge blicken, es wagen. Es ist ein Wagnis, jeder Blick jenseits dessen, was jetzt gerade so los ist hier bei mir. Macht mir Angst. Macht. Irgendwie geht es darum, schon die ganze Zeit ging es das. Gerne würde ich echt sein. Mir der Konsequenzen meines Handelns gewahr werden. Wachsen.
Aber ich will auch eine ganze Menge gleichzeitig.


11:49 Uhr
Das mit dem Echtseinwollen ist ziemlich merkwürdig, weiß ich doch in so vielen Augenblicken so sehr, dass das alles echt ist, ich echt bin. Zum Schreien echt.


13:55 Uhr
Milan postet seit einigen Tagen pausenlos bei Facebook Städtenamen und es erweckt den Eindruck, als reise er sehr viel. Ich treffe Milan und das Gefühl der Fremde schwindet.


14:15 Uhr
Wir sitzen in einem Café. Hier riecht es nach Weihnachten. Ich kann Weihnachten nicht gut leiden. Da habe ich immer das Gefühl, meine Gefühle passen noch viel weniger als sonst.
Milan, er erzählt zu viel. Ich kann gar nicht mehr folgen.


14:56 Uhr
Diese Menschen, die nicht genug vom Leben kriegen. Ich beneide sie ein Stück weit. Haben so viel Kraft für so vieles, was ich nie erleben werde. Aber dann weiß ich, dass ich jetzt Ruhe brauche. Habe Milan das gesagt. Er hat mich umarmt und mir einen schönen Nachmittag gewünscht. Mir Kraft gewünscht. Hat keine Fragen gestellt. Oder enttäuschte Erwartungen artikuliert. Hatte ich doch früher immer mehr Zeit für ihn.
Ich war erleichtert. Dass er mich hat einfach gehen lassen. Er weiß, dass gerade vieles sehr schwer für mich ist.



16:18 Uhr
Lara schreibt mir von ihren schlaflosen Nächten. „nein, mir geht es gut. viel zu gut. ich kann es kaum fassen. ich habe eine erotische onlinesexgeschichte seit 3 nächten mit dem edv-polizisten (dem besten freund von fabian) und es ist unfassbar gut ...nur mein schlafdefizit schlaucht.“


17:31 Uhr
Lara sagt, sie komme jetzt gleich bei mir vorbei. Ich habe ihr gesagt, dass ich niemanden sehen will. Ich will jetzt nicht, Lara, habe ich gesagt. Dass mir heute alles zu viel ist. Nein Lara, es geht nicht. Heute nicht. Ich bin müde und habe ungewaschenes, strähniges Haar. Da musste ich fast selber schmunzeln. Früher haben wir oft Serien zusammen gesehen. Dass ich schon draußen war, habe ich dann gesagt. Lara, Milan und ich waren heute schon draußen. Es geht mir gut, du brauchst dir keine Sorgen machen.
Nein nein, ich komme vorbei. Ich bestehe darauf. Ich bleibe auch nur kurz, sage dir nur kurz Hallo.
Nein, Lara.
Doch, Silja.
Pfff...


19:49 Uhr
Aber dann ist sie doch vorbei gekommen. Hat mir gesagt, dass sie nicht auf mich hören wird, dass sie auch nur kurz Hallo sagen möchte. Ich war die ganze Zeit bis zu ihrer Ankunft bei mir nervös. War wütend auf sie, dass sie jetzt einfach so vorbeikommt. Fand das ziemlich frech und übergriffig von ihr.
Dann hat sie geklingelt und stand halt vor meiner Wohnungstür. Und dann habe ich mich doch gefreut und geöffnet. Sie kennt mich eben.
Hallo. Wusste gar nicht, was ich mehr zu ihr sagen sollte. War irgendwie deprimiert, aber eigentlich hätte ich ihr gerne gezeigt, wie sehr ich sie brauche und dass ich ihr dankbar bin. Hoffe, sie kann das irgendwie spüren.
Sie hat mir etwas gegeben. Hier, Silja, das hatte ich noch. Musste an dich denken. Wollte es dir längst schon gegeben haben.
Ich war überrascht. Da steht sie im Türrahmen und streckt die Hand aus, hält mir etwas hin, in Zeitungen eingeschlagen, klein und flach, passt auf ihre Handfläche.
Danke, danke, sagte ich. Was ist das denn?


20:44 Uhr
Alleine in meinem Zimmer. In meinem Chaos. In meiner Welt. Auf dem Flohmarkt hätte sie das entdeckt. War schon zwei Wochen her. Behutsam habe ich es ausgepackt. Ein alter Tuschkasten. Richtig richtig alter Tuschkasten. So Aquarellfarbe sei das wohl, meinte Lara. Habe gekramt, ewig und vierkommafünf Tage. Dann habe ich meine Pinsel entdeckt. Die, die ich noch aus der Mittelstufe vom Kunstunterricht habe. Ewig nicht benutzt. Kunst abgewählt. Schade eigentlich. Jetzt sitze ich hier. An meinem Schreibtisch. Hatte so viel Angst davor, jetzt wieder mit mir alleine zu sein, nachdem Lara weg war. Aber jetzt geht es eigentlich ganz gut.

Und ich male mir ein kleines Stückchen Welt. Ermale mir etwas, was nur mir gehören wird. Da merke ich, dass ich es längst schon habe. Dass es mir schon gehört. Ich gehöre mir schon. Ich bin schon ich. Hier bin ich. Ich gehöre nur mir.

Sage ich und schlafe beruhigt ein.

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